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„Grundrecht auf Wohnen sozial, ökologisch und barrierefrei gestalten“

Antrag der Fraktion Die Linke (Drs. 17/3433)

 

Peter Götz (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mit dem Antrag, den wir heute diskutieren, wollen sich die Linken im Deutschen Bundestag das Mäntelchen der Beschützer der Mieter umhängen.

 

(Zurufe von der LINKEN: Nein, nein!)

Es ist schon eine Frechheit. Der rot-rote Berliner Senat versuchte, locker über 38 000 kommunale Wohnungen, davon allein 20 000 in der Stadt Berlin, an einen arabischen Fonds zu verkaufen, und hier fordert die Linke, die Veräußerung kommunaler Wohnungsbestände zu verbieten.

 

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

 

Auch wenn der Milliardendeal in Berlin vorgestern gescheitert ist, macht dies die Widersprüchlichkeit zwischen dem Reden hier und dem Handeln dort, wo Verantwortung besteht, sehr deutlich.

 

(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Wie immer!)

 

Im Bundestag sozialistische Lehre in Reinkultur einzufordern und vor Ort mit dem Kapital zu verhandeln, das ist mehr als scheinheilig.

 

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

 

Man kann ja darüber diskutieren, ob eine Stadt wie Berlin so große Wohnungsbestände im Eigentum vorhalten muss. Diese Frage ist durchaus berechtigt, und diese will ich auch nicht kritisieren. Aber dann darf man hier nicht solche Anträge stellen.

 

(Uwe Beckmeyer [SPD]: Lassen Sie uns einmal über die Bankenkrise in Berlin reden, Herr Götz! Wer hat denn die Bankenkrise in Berlin ausgelöst? Das war doch Ihre Partei!)

 

Wir sehen für die Einführung eines speziellen Grundrechts auf Wohnen auf der Bundesebene weder einen Bedarf noch halten wir ein solches Recht für geeignet, die Lebenssituation der von Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen zu verbessern.

 

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Götz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich?

 

Peter Götz (CDU/CSU):

Ja, warum nicht? Bitte sehr.

 

Stefan Liebich (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Kollege Götz, Sie haben auf die Politik hier im Land Berlin Bezug genommen. Sie haben recht, dass nach der Klage von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen den rot-roten Landeshaushalt in der Wahlperiode 2002 eine große Wohnungsbaugesellschaft verkauft werden musste.

 

(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist doch keine Frage! Es muss eine Frage gestellt werden!)

 

Das ist eine Entscheidung, die wir aus heutiger Sicht falsch finden.

 

Aber ich will noch etwas zur gegenwärtigen Politik sagen. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass es genau zwei Parteien gibt, die sich dafür einsetzen, dass der gesamte kommunale Wohnungsbestand in öffentlicher Hand verbleibt, und dass es genau drei Parteien gibt, die genau diese Position infrage stellen, nämlich CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Ist Ihnen das bekannt, und sind Sie bereit, dies in Ihre Argumentation mit einfließen zu lassen?

 

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das war ein Debattenbeitrag und keine Frage!)

 

Peter Götz (CDU/CSU):

Herr Kollege, ich habe überhaupt kein Problem damit, darüber zu diskutieren, dass kommunale Wohnungsbestände verkauft werden. Das ist nicht mein Problem.

 

Mein Problem ist – hier verhalten Sie sich widersprüchlich –, dass Sie in Berlin, wo Sie im Senat Regierungsverantwortung tragen, die Wohnungsbestände verkaufen, aber hier den Eindruck erwecken wollen, als seien Sie die Retter der Mieter. Sie fordern die Aufnahme des Rechts auf Wohnung ins Grundgesetz, und gleichzeitig fordern Sie ein Verbot des Verkaufs von kommunalen Wohnungsbeständen. Auf diese Widersprüchlichkeit wollte ich aufmerksam machen.

 

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wir haben in Deutschland durch die Garantie der Menschenwürde in Art. 1 unseres Grundgesetzes und durch das in Art. 20 verankerte Sozialstaatsprinzip die Verpflichtung des Staates, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu schaffen. Dazu gehört auch eine Unterkunft. Deshalb gibt es seit Jahrzehnten den sozialen Wohnungsbau, die Absicherung der Mietkosten durch Wohngeld und die soziale Wohnraumförderung der Länder. In der heutigen Debatte haben wir einiges darüber gehört. Das sind Instrumente, die sich bewährt haben. Hinzu kommt auch die Unterbringung Obdachloser aufgrund der polizeiund ordnungsrechtlichen Vorschriften auf kommunaler Ebene.

 

In Deutschland gibt es für jeden Wohnungssuchenden eine Bleibe. Einen anderen Eindruck zu erwecken, ist populistisch und unredlich. Vielleicht findet nicht jeder seine Traumwohnung, das mag wohl sein, aber niemand in Deutschland muss auf der Straße übernachten.

 

(Petra Müller [Aachen] [FDP]: Das stimmt!)

 

Nach meiner festen Überzeugung sind Maßnahmen, die unmittelbar auf die Lebenssituation der von Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit betroffenen Personen Einfluss nehmen, wesentlich sinnvoller als symbolische Verfassungsänderungen. Insofern sind wir auf die Empfehlungen der Altkommunisten mit dem Erfahrungshorizont der DDR nicht zwingend angewiesen.

 

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Potz Blitz! Das war ein Angriff!)

 

Insgesamt hat die Wohnungsversorgung in Deutschland seit Mitte der 90er-Jahre einen Stand erreicht, bei dem breite Schichten der Bevölkerung gut bis sehr gut mit Wohnraum versorgt sind. Dies gilt insbesondere für einkommensschwache Haushalte. Deshalb haben wir, wie ich finde, zu Recht, im Jahr 2006 im Rahmen der Föderalismusreform die Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderung auf die Länder übertragen. Dafür geben wir ihnen jährlich zweckgebunden mehr als 500 Millionen Euro, sodass regional differenziert, gezielt und bedarfsgerecht gefördert werden kann. Das ist besser als Zentralismus aus Berlin. Die geforderte Beschränkung dieser Wohnungsbauförderung auf den öffentlichen Mietwohnungsbau ist eine klassische Ideologienummer der Linken. Für uns sind auch die privaten Vermieter zur Sicherung des Wohnens von großer Bedeutung.

 

Besonders wichtig sind uns aber auch diejenigen, die sich den Wunsch nach den eigenen vier Wänden erfüllen wollen. Deshalb ist Wohneigentum eine der besten Möglichkeiten der Altersvorsorge. Wohneigentum schützt wesentlich vor Altersarmut. Die Stärkung des Wohneigentums sollte daher unser gemeinsames Ziel sein.

 

Wir haben in unserem Land ein sehr ausgeprägtes und differenziertes System der sozialen Sicherung, gerade in der Wohnraumversorgung. So zählt nach dem Sozialgesetzbuch II die Übernahme der gesamten Kosten – ich betone: der gesamten – für Unterkunft und Heizung zu den Leistungen für Hartz-IV-Empfänger. Das wird bei der aktuellen Debatte über die Höhe der Regelsätze für diesen Personenkreis, die wir in diesen Tagen führen, gerne übersehen. Auch Erstausstattungen für die Wohnung, einschließlich Haushaltsgeräte, Wohnbeschaffungs- und Umzugskosten oder Mietkautionen, gehören zu dem Leistungskatalog für Hartz-IV-Empfänger. Zur Erinnerung: Der Bund beteiligte sich im vergangenen Jahr mit 3,4 Milliarden Euro an den Kosten der Unterkunft. Die Kommunen sind mit mehr als 10 Milliarden Euro dabei. Dieses Geld bringen die Menschen auf, die täglich zur Arbeit gehen und ihre Steuern zahlen.

 

Natürlich gibt es bei der Wohnungspolitik noch Handlungsbedarf. Das ist unstrittig. Das Bessere war schon immer der Feind des Guten. So ist vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft dem Aspekt der Barrierefreiheit ein größerer Stellenwert einzuräumen. Auch die energetische Sanierung der Wohngebäude, von der vorhin gesprochen wurde, ist eine Herausforderung, die uns noch viele Jahre begleiten wird.

 

Bei der Städtebauförderung ist es in einer großen Kraftanstrengung gelungen, die Haushaltsansätze, die erheblich heruntergefahren waren, wieder zu erhöhen. Wir sollten jedoch nicht, wie im vorliegenden Antrag gewollt, Einzelprogramme der Städtebauförderung abschaffen, sondern wir sollten die inhaltliche programmatische Schwerpunktsetzung neu definieren und die Programme optimieren und effizienter gestalten.

 

Für alle in Ihrem Antrag aufgeworfenen Themen sind in Deutschland in vielen Jahren gute Instrumente – ob nun Förderprogramme oder gesetzliche Regelungen – entwickelt worden, die sich dem Grunde nach bewährt haben. Diese können und sollten wir gemäß den veränderten Rahmenbedingungen – die Themen „Klimaschutz“, „Barrierefreiheit“, „behindertengerechtes Wohnumfeld“ und viele andere mehr sind angesprochen worden – gemeinsam maßvoll weiterentwickeln.

 

Der kommunistische Rundumschlag, den Sie hier vorhaben,

(Zurufe von der LINKEN: Buh!)

 

würde viel Gutes zerstören. Wir lehnen in Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger diesen Antrag ab.

Vielen Dank.

 

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)