Peter Götz (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unabhängig davon, liebe Bettina Herlitzius, dass diese Koalition noch keine drei Jahre besteht, sondern noch nicht einmal ganze zwei Jahre,
(Ulrike Gottschalck (SPD): Aber gefühlte! – Christian Lange (Backnang) (SPD): Gefühlte zehn!)
herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön!)
Die Urbanisierung unserer Städte ist ohne Frage ein Zukunftsthema des 21. Jahrhunderts. Deshalb war es richtig und konsequent, in der Koalitionsvereinbarung die Städtebauförderung als unverzichtbaren Teil zur lebenswerten Gestaltung von Städten und Gemeinden zu verankern. Sie ist seit 40 Jahren das Erfolgsmodell für eine gute städtebauliche Entwicklung in den Städten und Gemeinden unseres Landes. Es wurde schon gesagt: Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre wurde zu Recht erkannt, wie wichtig es ist, die Funktion der Innenstädte zu stärken und einem sich abzeichnenden Bedeutungsverlust entgegenzuwirken. „Vom Wohnungsbau zum Städtebau“ hieß es damals. Allein waren die Städte und Gemeinden schon damals nicht in der Lage, diese Aufgaben finanziell zu bewältigen. Mithilfe der Mittel des Bundes und der Länder war es ihnen in den letzten 40 Jahren möglich, stadtbildprägende Gebäude zu erhalten und zu modernisieren, Zentren und Nebenzentren zu revitalisieren, das Wohnumfeld zu verbessern und Stadtkerne zu erhalten oder zu entwickeln. Nach Abzug der ausländischen Streitkräfte wurden in vielen Konversionsgebieten in Ost und West ganz neue innerstädtische Quartiere in zentraler Lage geschaffen.
Millionen Postkarten mit Ansichten deutscher Städte werden jährlich in alle Welt versandt. Vermutlich wurden fast alle dieser Stadtbilder durch die Städtebauförderung unterstützt. Aber Steine allein machen noch keine Stadt aus. Deutschland ist bekannt für eine Vielzahl von attraktiven Städten, in denen das Leben pulsiert. Zentren, Städte und Stadtteile werden bewusst bewahrt und weiterentwickelt. Das ist anstrengender und teurer, als draußen auf der grünen Wiese einen neuen Stadtteil entstehen zu lassen. Deshalb danken wir den vielen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, die es geschafft haben, ihre Heimat mit Unterstützung der Städtebauförderung lebens- und liebenswert zu gestalten. Das gilt für Metropolregionen genauso wie für den ländlichen Raum. Das ist nicht nur das Ergebnis traditioneller Stadtentwicklung über Jahrhunderte in Europa, sondern auch zurückzuführen auf bewusstes, engagiertes Handeln in Deutschland innerhalb der letzten 40 Jahre.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Sören Bartol (SPD))
Ich selbst durfte Anfang der 70er-Jahre in meinen ersten Berufsjahren eine kommunale Koordinierungsstelle für Stadtsanierung leiten. Wir waren in unserer Stadt damals sehr dankbar, dass es möglich war, zwei Drittel der unrentierlichen Kosten unserer Stadtkernsanierung mit Mitteln aus dem seinerzeit neu aufgelegten Programm „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ finanziert zu bekommen. Das hat einen enormen Schub gegeben. Ich freue mich deshalb besonders, dass ich Jahrzehnte später zum 40-jährigen Bestehen der Städtebauförderung hier im Deutschen Bundestag am Rednerpult stehen kann.
Meine Damen und Herren, wenn wir auf die letzten 20 Jahre zurückblicken und mit offenen Augen betrachten, was nach dem Zerfall des Kommunismus und des Sozialismus vor allem in den neuen Ländern geleistet wurde, dann stellen wir fest, dass es richtig war, unmittelbar nach der Wende die Prioritäten der Förderung in den neuen Ländern zu setzen. Heute gibt es dort viele blühende Städte.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Gute Stadtentwicklungspolitik ist bei einer sich verändernden Gesellschaft aktueller und wichtiger denn je. Wir müssen den Mut haben, anzuerkennen, dass sich auch die Zeiten ändern. Neue Herausforderungen kommen hinzu. Das gilt für den Stadtumbau genauso wie für die „Soziale Stadt“.
Was ist die Kernbotschaft der heutigen Debatte?
Erstens. Bundesminister Dr. Ramsauer war erfolgreich.
(Florian Pronold (SPD): Bei der Kürzung der Städtebauförderung, nicht im Aufbau!)
Danke für das Engagement in einer Zeit, in der die Einhaltung der Schuldenbremse im Vordergrund aller Haushaltsberatungen steht! Herzlichen Glückwunsch zu dem Ergebnis, das sich sehen lassen kann!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol (SPD): Es war eine sehr gute Rede am Anfang, aber jetzt: Na ja!)
Zweitens. Die Opposition gönnt uns diesen Erfolg nicht.
(Lachen bei der SPD)
Sie sitzt im Schmollwinkel und versucht krampfhaft, den Untergang des Abendlands herbeizureden.
(Sören Bartol (SPD): Herr Götz, das stimmt doch nicht!)
Dabei vollziehen sich für die Stadtentwicklung mit dem vom Bundeskabinett am Mittwoch dieser Woche verabschiedeten Haushaltsentwurf neue Sonnenaufgänge:
(Christian Lange (Backnang) (SPD): Für jemand, der behauptet, mit der Kommunalpolitik verbunden zu sein, ist das eine Schande!)
Lieber Herr Kollege, über 500 Millionen Euro für die Stadtentwicklung wenn Sie es richtig zusammenzählen können in 2012 und 2013,
(Christian Lange (Backnang) (SPD): 410! – Florian Pronold (SPD): Von 455 auf 410! Das verkaufen Sie noch als Erfolg! Pinocchio ist dagegen ein Waisenknabe gewesen!)
ich glaube, dass Ihnen das wehtut, aber ich erspare es Ihnen nicht
(Zuruf des Abg. Christian Lange (Backnang) (SPD))
1,5 Milliarden Euro jährlich zusätzlich für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, und es kommen wenn der Bundesrat zustimmt jährlich weitere 1,5 Milliarden Euro für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung hinzu. Lieber Herr Kollege Bartol, eine solche Summe haben Sie in Ihrer Regierungszeit noch nie erreicht. Diesen Erfolg sollten Sie endlich einmal anerkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Nun zu Ihnen, liebe Kollegin Herlitzius. Wir haben in der letzten Woche im Gesetzentwurf den Klimaschutz im Planungsrecht der Gemeinden an exponierter Stelle verankert. Das wissen Sie sehr wohl. Wir brauchen mehr erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz im Gebäudebereich. Das alles hat unmittelbare Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Deshalb ist es der richtige Ansatz, die klassische Städtebauförderung um die energetische Stadtsanierung zu erweitern.
Wir sind Bundesminister Dr. Ramsauer sehr dankbar, dass er es geschafft hat, zusätzlich zu den von Ihnen kritisierten 410 Millionen Euro Städtebaufördermittel für das kommende Jahr 92 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds für die energetische Stadtsanierung einzuplanen.
(Sören Bartol (SPD): Das ist was anderes!)
– Aber es kommt der Stadtentwicklung und dem Städtebau zugute.
(Florian Pronold (SPD): Kommt das Berliner Stadtschloss auch?)
Wenn der vorhin bereits angesprochene einstimmige Beschluss der Bauministerkonferenz vom Juni dieses Jahres fordert, die vorgesehenen Mittel der KfW zur energetischen Stadtsanierung in die bewährte Systematik der gemeinsamen Städtebauförderung einzugliedern,
(Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Zu Recht!)
dann verstehe ich dies zunächst als Aufforderung der Länderbauminister an ihre eigenen Landesregierungen, die 92 Millionen Euro des Bundes durch eigene Landesmittel noch einmal aufzustocken, weil bei der klassischen Städtebauförderung eine Drittelfinanzierung gilt.
(Sören Bartol (SPD): Das ist ja der Sinn! Das ist genau der Sinn!)
Dafür sollen die Länder ihre 92 Millionen in die Hand nehmen; wenn die Kommunen es ebenfalls tun, erhöht und verbessert sich der Wirkungsfaktor zusätzlich.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen doch eh ihren Landesanteil dazutun!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen die Städtebauförderung nicht isoliert betrachten. Deshalb war es richtig, sie gezielt mit anderen Instrumenten zu verzahnen. Gerade bei Problemvierteln hat es sich bewährt, eine Verknüpfung mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten herzustellen. So wurde das ergänzende Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ zu Recht in der Großen Koalition auf den Weg gebracht und von Bundesminister Ramsauer Ende vergangenen Jahres in eine zweite Förderungsrunde geschickt. Von 2011 bis 2014 sollen dafür 83 Millionen Euro bereitgestellt werden. Damit wird die Arbeit in den Quartieren erneut gestärkt, gerade in den Problemgebieten der sozialen Stadt. Sie haben das Thema vorhin kritisch angesprochen; aber die Vorwürfe der Opposition in Bezug auf dieses Programm sind bei objektiver Betrachtung hoffnungslos überzogen.
Die Oppositionsredner haben die Finanzlage der Kommunen angesprochen. Tatsächlich stehen viele Städte und Gemeinden nach wie vor mit dem Rücken zur Wand. Die internationale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat auch vor den Kommunen nicht haltgemacht. Sie bekamen die Auswirkungen zeitversetzt zu spüren: Nachdem die Kommunen 2007 und 2008 Rekordüberschüsse erzielen konnten, brachen ihre Einnahmen in 2009 und 2010 weg, und das bei steigenden Ausgaben, vor allem im sozialen Bereich. Auch hier rächt sich, dass die rot-grüne Regierung 2003 die Altersgrundsicherung eingeführt und die Kosten einfach auf die Kommunen übertragen hat, ohne für die notwendige Finanzierung zu sorgen. Die dadurch steigenden Sozialausgaben führten neben den krisenbedingten Einbrüchen zu einer strukturellen Schieflage. Das war neben vielen anderen Entscheidungen zulasten der Kommunen der Tiefpunkt einer ignoranten rot-grünen Bundespolitik gegenüber den Städten und Gemeinden. Dafür tragen Sie – ausschließlich Sie – die Verantwortung.
Es war von Anfang an unser Anliegen, alles zu tun, um den Kommunen aus der Krise herauszuhelfen. Wir haben in der christlich-liberalen Koalition von Beginn an sehr viel für die Kommunen erreicht. Es zeichnet sich bereits heute ab, dass die Städte, Gemeinden und Kreise im Jahr 2012, also bereits im kommenden Jahr, im Bundesdurchschnitt mit ausgeglichenen Haushalten rechnen können. Das eröffnet neue Spielräume, auch im Bereich des Städtebaus.
Mit der schrittweisen Übernahme der einst von Rot-Grün auf die Kommunen übertragenen Kosten der Altersgrundsicherung entlasten wir die Kommunen bei den Sozialausgaben bis 2015 um etwa 12,2 Milliarden Euro; bis 2020 wird der Bund die kommunalen Kassen allein durch die Übernahme dieser Kosten um rund 54 Milliarden Euro entlasten. Das kommt vor allem den strukturschwachen und besonders armen Städten und Gemeinden zugute.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Eine Kommunalentlastung in dieser Größenordnung ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmalig. Der Bund wird damit seiner Verantwortung gerecht. Jetzt stehen an erster Stelle die Länder für ihre Kommunen in der Pflicht.
(Uwe Beckmeyer (SPD): Sie sind ein Weißwäscher, Herr Kollege!)
– Nach unserer Finanzverfassung gibt es eine Finanzbeziehung zwischen den Ländern und den Kommunen. Sie wissen sehr gut, dass es eine Finanzbeziehung zwischen dem Bund und den Kommunen in dieser Form nicht gibt.
(Uwe Beckmeyer (SPD): Die Kürzungen können Sie nicht wegreden!)
Lieber Kollege, wenn die Schlüsselzuweisungen SPD-geführter Länder, wie jetzt vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz festgestellt, nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine angemessene kommunale Finanzausstattung erfüllen, dann ist das mehr als nur peinlich. Diese unverantwortliche Politik gegenüber den Städten, Gemeinden und Kreisen wird leider nicht nur vom Ministerpräsidenten Beck aus Rheinland-Pfalz betrieben. Auch in Baden-Württemberg, einem Land, das im besten Zustand an eine grün-rote Regierung übergeben wurde,
(Christian Lange (Backnang) (SPD): Alle freuen sich! Alle freuen sich über den Regierungswechsel!)
wird derzeit versucht, die von den baden-württembergischen Kommunen aufgrund der positiven finanziellen Entwicklung erzielten Überschüsse über den kommunalen Finanzausgleich abzuschöpfen.
(Christian Lange (Backnang) (SPD): Alle sind stolz auf die neue Landesregierung!)
Meine Damen und Herren, es ist unanständig, erst die Kommunen ausbluten zu lassen und anschließend den Bund zu deren Rettung aufzufordern.
(Florian Pronold (SPD): Es ist unanständig, die Redezeit für Ablenkungsmanöver zu nutzen! Das sind Nebenkriegsschauplätze!)
Lassen Sie uns deshalb den Menschen vor Ort gemeinsam die Chancen und Möglichkeiten zurückgeben, damit sie ihre Heimat wieder selbst gestalten und sich im Wettbewerb behaupten können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold (SPD): Peinlich war das!)